Osteopathie:

Sie wurde vor 140 Jahren von Dr. Andrew Taylor Still entdeckt und begründet. Seitdem wird sie ständig weiterentwickelt. Still wählte den Begriff Osteopathie, da für ihn der Knochen (Osteo~) der Startpunkt war, um von dort die Ursachen und Zusammenhänge pathologischer Zustände (pathos; Leiden) zu erkunden.

Jahrelang geschulte Hände, gepaart mit intensivem Studium der Anatomie, Physiologie, Embryologie usw. machen es dem Osteopathen möglich, feinste Abweichungen der Bewegungsmöglichkeiten in allen Bereichen des Körpers (Bewegungsapparat, innere Organe,Schädelsphäre, Nerven- und Gefäßsystem) wahrzunehmen und zu behandeln.

Die ganzheitliche Betrachtungsweise führt dabei oft zu einer anderen Gewichtung bestimmter Befunde und Zusammenhänge als in der klassischen Medizin. Dadurch wird häufig weniger an den schmerzhaften, symptomatischen Stellen gearbeitet, sondern in den Körperregionen, die während der Behandlung am günstigsten erscheinen, um die eigene Gesundheitsentfaltung wiederherzustellen.

Osteopathie behandelt keine Krankheiten, sondern sucht die Gesundheit. Stürze, Stöße, Prellungen, Verrenkungen, Verzerrungen, Erkrankungen, körperliche und seelische Überlastungen können die Bewegungsmöglichkeit verschiedener Gewebe einschränken. Es kommt dabei sowohl zu Veränderungen der Anatomie (Struktur) als auch der Physiologie (Funktion). Die nährende und entsorgende Fluktuation der Körperflüssigkeiten sowie der Informationsfluss durch die Nerven, Hormone, Botenstoffe etc. werden dadurch behindert. Dies führt bei Überschreitung der individuellen Kompensationsmöglichkeiten zu krankhaften Prozessen. Nun gilt es, die Bewegung auf allen Ebenen wieder zu ermöglichen, damit sich die normale Körperphysiologie wieder ausdrücken kann.


Geschichte:

Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still (1828 – 1917) begründete, laut eigener Aussage am 22. Juni 1874, die Osteopathie. Ein hartes persönliches Schicksal mit dem Tod seiner Frau und vier seiner Kinder, seine Erfahrungen als Feldarzt im amerikanischen Bürgerkrieg und der Mangel an Kenntnissen der damaligen Schulmedizin, ließen sein Denken aus den gewohnten Bahnen ausbrechen. Er erkannte, das durch Lösen von strukturellen Abweichungen sich nicht nur die lokalen Beschwerden verbessern ließen, sondern auch Störungen in anderen Teilen des Körpers. Daraufhin entwickelte er die Osteopathie, eine Methode zur Wiederherstellung der Beweglichkeit aller Gewebestrukturen. Den Gebrauch der damals giftigen, wirkungslosen oder suchterzeugenden Arzneien lehnte er strikt ab. Aufgrund enormer Behandlungserfolge breitete sich sein Ruf schnell aus und er gründete 1892 in Kirksville, Missouri die erste osteopathische Ausbildungsstätte der Welt, die American School of Osteopathy (ASO).

William Garner Sutherland D.O., ein Schüler Stills, endeckte und erforschte die Beweglichkeit der Schädelknochen und erweiterte die Osteopathie Anfang der 1930er Jahre um das craniale Konzept. Durch Abspaltung von der Osteopathie entstanden auch andere Methoden wie Chiropraktik, Manuelle Therapie und Cranio-Sacrale Therapie. Durch John Martin Littlejohn, einem Schüler von Still, kam die Osteopathie Anfang des 20.Jahrhunderts nach Großbritannien und verbreitete sich anschließend über Frankreich in Europa.

Die Behandlung der Inneren Organe wurde erstmals im 19. Jahrhundert durch die Ärzte Glenard und Stapfer bekanntgemacht, der heutige Wissensstand basiert im Wesentlichen auf den Arbeiten des französischen Osteopathen Jean-Pierre Barral D.O.


Ausbildung/Rechtslage:

Trotz bereis 150-jähriger Tradition ist die Geschichte der Osteopathie in Deutschland noch relativ jung. Erst in den 1980er Jahren gründeten private Schulen, vorwiegend aus Frankreich und Belgien, deutsche Niederlassungen. Je nach Verteilung der zu absolvierenden Stundenzahl erlernen dort Ärzte, Heilpraktiker und Physiotherapeuten die osteopathische Kunst in einer vier- bis sechsjährigen Ausbildung, wahlweise in Vollzeit oder berufsbegleitend. Durch Angliederung an Universitäten sind mittlerweile auch Bachelor und Masterstudiengänge möglich.

Anders als in anderen EU-Staaten gilt die Osteopathie nach deutschem Recht nicht als Beruf sondern als Heilkunde, und darf als solche nur von Ärzten oder Heilpraktikern eigenständig durchgeführt werden. Seit geraumer Zeit laufen Anstrengungen der Fachverbände, die Osteopathie in Deutschland als eigenständigen Heilberuf mit Primärkontakt zu installieren. Eine EU-weite Angleichung mit entsprechender Akademisierung wird angestrebt.